Dienstag, 1. November 2016

Eine Woche gelebte Ökumene



Wir waren gemeinsam mit Luther beim Papst. Eine Woche Rom, Austausch, Kultur, Theologie und Begegnung liegt hinter uns.
Ich bin noch immer völlig überwältigt von der Fülle an Eindrücken, die auf mich einprasselten. Als wäre die ewige Stadt mit ihren zahlreichen Bauwerken und Zeitzeugen der antiken Historie und epochenübergreifenden Kirchengeschichte nicht faszinierend genug, zeigten darüber hinaus die etwa eintausend Teilnehmer*innen, was es heißt, friedlich und respektvoll als Christ*innen konfessionsübergreifend zu leben. Die Frage, die die Menschen bewegte war weniger die, nach der Konfessionszugehörigkeit, nach dem gemeinsamen Abendmahl oder dem großen WIE des ökumenischen Zusammenlebens, als vielmehr ein Teilen von Glaubenserfahrungen, Wissensweitergabe und gelebter Nächstenliebe. Mehr praktisch als theoretisch. Mehr einfach mal Ausprobieren und sich darauf einlassen als bloß darüber zu reden.
Papst Franziskus brachte dies schließlich mit einem einzigen Satz im Rahmen der Audienz zielgerichtet auf den Punkt: Er möge keine lauwarmen Christen, die nur selten zur Kirche gingen. Egal ob Protestant oder Katholik, solange man den Glauben lebt, für ihn brennt, sei man auf dem richtigen Weg.
Auch die drei Kirchenleitenden, die die ökumenische Pilgerfahrt begleiteten, Landesbischöfin Ilse Junkermann (EKM), Kirchenpräsident Joachim Liebig (Anhalt) und Bischof Gerhart Feige (Bistum Magdeburg), sowie die Schirmherrin und Botschafterin der Bundesrepublik am Heiligen Stuhl, Frau Anette Schavan, betonten immer wieder das Miteinander:
Die Alpen, die einst Wittenberg und Rom trennten, wie es im Logo der Pilgerfahrt zu sehen sei, sind mittlerweile nicht mehr so schroff, wie sie einst waren, sondern heute wohl eher als Brücke zu verstehen. So wurden Lutherchoräle gemeinsam vor dem Kollosseum gesungen, Papst-Schlüsselanhänger, -Kalender und -Postkarten von allen Gläubigen mitgenommen und auch der kleine Playmobilreformator war überall mit dabei – sogar im Vatikan zur Privataudienz beim Papst. Schließlich verbindet uns doch mehr im Christsein als uns voneinander trennt.
Für mich ein ganz besonderer Moment auf dieser Fahrt war der Besuch der Domitilla-Katakomben. Diese frühchristlich-römische Unterwelt ist eine der ältesten und am besten erhaltensten Begräbnisstätten der frühen Christen. 1800 Jahre Kirchengeschichte wirken auf den Besucher ein. Kühle Temperaturen in der herbstlichen Wärme Roms. Betreten durch eine Kirche, die sich größtenteils unter der Erde befindet. Zurückversetzt in die Zeit der Entstehung von ersten kirchlichen Strukturen wirken die trennenden innerkirchlichen und konfessionellen Streitigkeiten völlig nichtig. Stille, Staub, Dunkelheit und Erde. Gelegentlich noch vereinzelte Knochen. Mehr ist nicht übrig. Jahre lang handelte es sich um den einzigen christlichen Friedhof Roms. Auch galten die Katakomben als Rückzugsort vor der Verfolgung, denn die Antiken Römer akzeptierten die Totenruhe, auch von andersgläubigen. Nach zahlreichen Gängen, Ecken, Grabnischen und Seitenräumen funkelt schließlich gänzlich unerwartet ein altes Mosaik von der Lehmwand entgegen: Es handelt sich dabei um eine der ältesten Darstellungen von den Aposteln Petrus und Paulus. Ein Ruf aus längst vergangener Zeit. Als wollen uns die Künstler mitteilen wollen, dass es nach den Irrwegen in der Ökumene nun notwendig ist, das gemeinsame Leuchten neu zu entdecken. Den alten Glanz des christlichen Glaubens vom Staub zu befreien und in der Vielfalt des Glaubens neu zu erblühen. Gerade mit Blick auf das bevorstehende Lutherjahr bedeutet dies doch, die reformatorische Erkenntnis neu aufleben zu lassen: Die Lehre des Evangeliums, der frohen Botschaft, in den Mittelpunkt zu stellen, wo sie hingehört. Wie irrelevant sind strukturelle Differenzen, Theologische Diskurse und das Abstecken der pastoralen Weideflächen zur Reviermarkierungen, wenn der Glaube auf der Strecke bleibt. Und so betonte auch Papst Franziskus  den Wert der Reformation durch die Wiederentdeckung der Hoffnung und somit des Glaubens.
Geeint und befreit durch Gottes Gnade. Denn Erlösung ist für Geld nicht zu haben, sondern allein durch Christus, durch den Glauben, die Schrift und die Gnade Gottes. Die vier Soli, die im Zentrum der Reformation stehen. Diese Erkenntnis, verbunden mit dem daraus resultierenden christlichen Handeln, lässt uns als Christ*innen brennen, ohne verzehrt zu werden. Egal ob katholisch oder evangelisch. In der Liebe zu Gott und unseren Nächsten finden wir also das Feuer. Wir erwärmen uns von lauwarmen Temperaturen zu entflammten Glaubenden. Und genau das ist es doch, was sowohl Luther als auch Franziskus, ja, im Grunde alle Kirchen in ihrer Lehre ausdrücken wollen: Wenn wir Christus nachfolgen, mit Taten und mit Worten, so geht das nicht als halbherzig oder  teilweise, sondern nur mit ganzem Herzen und uneingeschränkt.
Und in Rom haben wir diese Einsicht wiederentdeckt. Daher ist die ökumenische Fahrt mit Luther zum Papst als neuer Startschuss einer neuen Ökumene zu verstehen. Sie in Zukunft in geschwisterlicher Liebe mit Leben zu füllen, gilt als die daraus resultierende Herausforderung. Der Anfang ist gemacht. Jetzt muss es weitergehen. 



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